Alexander Lauber ist Lektor und Dramaturg, Mitglied im Vorstand des Verbandes für Film- und Fernsehdramaturgie VeDRA e.V. und Redakteur des Online-Fachmagazins Wendepunkt. Die ARD Degeto und das ZDF gehören seit Jahren zu seinen zufriedenen Kunden. Alexander lebt und arbeitet in Berlin. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Schach und Meditation.
Deutschland 2029. Nach einem regierungskritischen Artikel wurde der bekannte Journalist JOHANN HELLSTRÖM (Moretti) entlassen und mit einem Berufsverbot versehen. Gemeinsam mit seiner Frau LUCIA (Tscheplanowa), einer Anwältin, die eine linke Aktivistin verteidigt hat, zieht er sich in seine smarte High-Tech-Villa auf eine einsame Insel zurück (den angeblich „sichersten Ort der Welt“), um an einer Gegendarstellung zu arbeiten. Von seinem ehemaligen Chef JOACHIM PASCHKE (Wagner) erfährt Hellström von einem Terroranschlag auf ein neu geschaffene Spezialeinheit der Polizei. Ein Regierungssprecher macht Hellström und seinen Artikel indirekt für den Anschlag verantwortlich. Das angeblich so intelligente Haus entwickelt derweil ein seltsames Eigenleben: Zuerst bestellt es Unmengen an Proviant, dann führt es Hellström zu einer Maschinenpistole, die Lucia in ihrem Arbeitszimmer versteckt, und schließlich konfrontiert es Hellström ungefragt mit einem Video, das Lucia und Paschke beim Sex zeigt. Lucia behauptet, von Paschke erpresst worden zu sein, doch als mit LAYLA (Vicari) und ALEXANDER (von der Groeben) plötzlich die vermeintlichen Drahtzieher des Anschlags vor der Tür stehen, hat Hellström umso mehr Grund, an Lucia zu zweifeln – denn offenbar steckt seine Frau mit den Terroristen unter einer Decke. Das Haus tötet Layla und Alexander, indem es sie in die Sauna einsperrt und „verbrennt“. Hellström und Lucia wollen nach England fliehen. Doch dann taucht Paschke auf, offenbar mit dem Ziel, Hellström auszuspionieren. Lucia verdächtigt Hellström bzw. das Haus, Layla und Alexander getötet zu haben. Hellström realisiert: „Ich bin das Haus“. Mit gezogener Waffe fordert Paschke den Rucksack mit Hellströms Laptop. Als das Haus seine Systeme herunterfährt, kommt es zwischen Hellström und Paschke zu einem Handgemenge, bei dem sich ein Schuss löst und Paschke tödlich getroffen zu Boden sinkt. Lucia kann aus dem Haus entkommen und geht, während Hellström als sein Gefangener allein zurückbleibt.
Die aus meiner Sicht beste und zugleich einfachste Definition des Thriller-Genres stammt von dem walisischen Bestseller-Autor Ken Follett („Eye of the Needle“ u.a.), der sagte: „Ein Thriller handelt von jemandem, der in Gefahr gerät.“ In dem Near-Future-Thriller „Das Haus“ sind es gleich zwei große Gefahren, die das Leben des Journalisten Hellström und seiner Frau Lucia in Aufruhr versetzen. Zum einen gefährdet eine radikale Regierungspartei die Pressefreiheit und damit die demokratische Grundordnung des Landes. Und zum anderen ist Hellströms angeblich perfekt abgesichertes State-of-the-Art-Smarthome offenbar dabei, einen eigenen Willen zu entwickeln – mit ungeahnten Folgen für seine Bewohner*innen.
Entsprechend dieser Prämisse mischen sich in „Das Haus“ Elemente des Politthrillers mit denen des „Haunted-House“-Horrorgenres. Ungewöhnlich: Zu diesem Genre-Mix gesellt sich auch noch eine ordentliche Portion Ehedrama, ausgelöst durch ein heimlich aufgenommenes Video, dass Lucia und Paschke beim Sex zeigt.
Leider wird die Gefahr, die von Hellströms politischen Gegnern ausgeht, nie wirklich konkret. Stattdessen beginnt Hellström zu hadern, Geheimnisse kommen ans Licht und es wird viel diskutiert, aber wenig gehandelt.
Schon früh tritt das Haus als ein eigener Charakter in Erscheinung (visuell umgesetzt als eine kreisrunde Scheibe aus rotem Neonlicht, nicht unähnlich dem Computer-Auge in „2001“). Auf Hellströms Bedürfnisse ist es bereits perfekt abgestimmt, doch die von Lucia muss es erst noch besser kennenlernen. Zum Beispiel ihre bevorzugte Wassertemperatur beim Duschen. Die frustrierte Lucia äußert irgendwann den Verdacht, dass das Haus sie nicht mag. Einmal werden Hellström und Lucia ausgesperrt und müssen die Nacht in Decken gehüllt am Strand verbringen. Ein Techniker kommt, kann außer ein paar kleinen Bugs nichts finden, spielt aber dennoch ein Sicherheits-Update auf. Danach wird alles nur noch schlimmer: Das Haus wird zum Mörder. Doch hat es eigenständig gehandelt oder ist es nur Hellströms willfähriger Lakai?
Leider unternehmen die beiden Protagonist*innen wenig, um dem dunklen Geheimnis ihres Hauses auf die Spur zu kommen. Wurde das Haus gehackt? Überwacht und manipuliert es seine Bewohner*innen heimlich? Oder bilden Hellström und das Haus eine untrennbare Einheit wie einst Dr. Jekyll und Mr. Hyde – ein Kämpfer für Wahrheit und Gerechtigkeit bei Tag, eine mordende Bestie bei Nacht?
Die Autoren haben sich dazu entschlossen, ihre Antwort bewusst vage zu halten. Was im deutschen und europäischen Arthouse-Kino im Allgemeinen als schlau gilt, ist für mich als Dramaturg häufiger ein Alarmsignal für mangelndes Handwerk. Aus meiner Sicht ist es nämlich viel einfacher, vage zu bleiben als konkret zu werden.
So bleibt am Ende ein eher diffuses Bild einer dystopischen Zukunft in einer Geschichte, die zwar Stoff für Diskussionen bietet, emotional aber kühl und distanziert bleibt – genau wie das Haus, in dem sie spielt.