Die Drehbuchschneiderei

Neue Dramaturgien
Zwischen Monomythos, Storyworld und Serienboom
Eva-Maria Fahmüller
(2017)
07/02/2021
Alexander Lauber
Aus der Rubrik:

Alexander Lauber ist Lektor und Dramaturg, Mitglied im Vorstand des Verbandes für Film- und Fernsehdramaturgie VeDRA e.V. und Redakteur des Online-Fachmagazins Wendepunkt. Die ARD Degeto und das ZDF gehören seit Jahren zu seinen zufriedenen Kunden. Alexander lebt und arbeitet in Berlin. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Schach und Meditation.

Synopsis

Welche neuen dramaturgischen Fragen entstehen in unserer globalisierten und digitalisierten Welt? Das Erzählen für Film und Fernsehen verändert sich im Kontext von vereinzelten und gleichzeitig digital vernetzten Lebenswelten. Doch eine dramaturgische Diskussion darüber findet erst in Ansätzen statt: Welche neuen Überlegungen können zu einem zeitgemäßen Umgang mit Geschichten beitragen? Reicht es noch aus, heutige Drehbücher auf 2500 Jahre alte Grundlagen aus aristotelischer Poetik und Mythologie aufzubauen? „Neue Dramaturgien“ reflektiert den Stand der gängigen Handbücher und deckt Leerstellen auf. Doch vor allem erforscht das Buch zurzeit maßgebliche, bislang kaum beachtete Veränderungen. Was bedeutet es, Geschichten „world-driven“ zu erzählen? Welche Perspektiven entstehen im Umgang mit Figuren, mit Raum und Zeit, mit Genre und Stil? Nicht zuletzt geht es um Quality-Serien, die aktuelle Veränderungen widerspiegeln, und um die Strahlkraft ihrer dramaturgischen Elemente. Denn diese prägen zunehmend die Wahrnehmung und das Verständnis des Erzählens insgesamt. Grade in der aktuellen Umbruchsituation wird deutlich, dass „Neue Dramaturgien“ immer auch Gesellschaftstheorien sind.

Kommentar

Brauchen neue Zeiten neue Dramaturgien? Glaubt man Eva-Maria Fahmüller, der Autorin des Buches “Neue Dramaturgien: Zwischen Monomythos, Storyworld und Serienboom“, dann lautet die Antwort: ‘Ja’. Doch obwohl Frau Fahmüller vor den großen Fragen nicht zurückschreckt, ist ihr Ansatz doch pragmatischer. Sie tritt nicht an, die alten, manchmal vielleicht alt-modisch wirkenden Dramaturgien durch den neuesten Schrei des jüngsten Hollywood-Gurus zu ersetzen. Stattdessen richtet sie ihren Blick auf die Leerstellen, auf die Fragen, die die alten Dramaturgien, die der “Old School” und die der “New School”, nicht beantwortet haben. Und da gibt es in der Tat eine Menge und wie es scheint, fangen wir gerade erst an, diese Leerstellen zu besetzen. Es ist vielleicht noch zu früh, von einer neuen, einer “dritten Welle” der Film- und Fernsehdramaturgie zu sprechen. Doch Frau Fahmüller gelingt es, eine Brücke zu schlagen zwischen der oftmals erschreckenden unwissenschaftlichen Herangehensweise der “Old School” und der “New School” auf der einen und den vielfach allzu abgehobenen und praxisfernen Methoden der Filmwissenschaft auf der anderen Seite. Indem sie über den Tellerrand der klassischen Dramaturgie hinausblickt und Antworten auch aus anderen Disziplinen nicht ausschließt, weitet sie unseren Blick und stößt damit hoffentlich eine rege und fruchtbare Diskussion an. Frau Fahmüller will ihren Ansatz ausdrücklich nicht als Vorstufe einer neuen Einheitsdramaturgie verstanden wissen und wirbt für mehr Vielfalt und Toleranz auch in dramaturgischen Fragen. Sie zitiert dabei den Kulturwissenschaftler Douglas Rushkoff, der schreibt: “Langsam aber sicher geben Film und Fernsehen den Kampf auf und akzeptieren die Zeit- und Ziellosigkeit einer immerwährenden Gegenwart. […] Wie kann man Sinn erfahren, wenn einem die kohärente Erzählung fehlt?” Das ist in der Tat die Frage, die es zu beantworten gilt. Und ein simples Modell wie das Drei-Akt-Modell ist dazu nicht mehr ausreichend. Ich wünsche den “Neuen Dramaturgien” die Beachtung, die sie verdienen und kann das Buch Filmschaffenden und Storytellern, die auch vor ein klein wenig “grauer Theorie” nicht zurückschrecken, nur wärmstens ans Herz legen.

Votum

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